12.11.2024: Nachbericht 58. Linzer Psychiatrischer Samstag

Prim. Priv.-Doz. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn, Vorstandsvorsitzender von pro mente OÖ, eröffnet den 58. Linzer Psychiatrischen Samstag
Prim. Priv.-Doz. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn, Vorstandsvorsitzender von pro mente OÖ, eröffnet den 58. Linzer Psychiatrischen Samstag

Am 9. November 2024 fand der 58. Linzer Psychiatrische Samstag an der Johannes Kepler Universität Linz statt und widmete sich dem Thema „Transkulturelle Psychiatrie – Brückenbauen im psychosozialen Gesundheitswesen“.

 

Univ. Prof. Dr. Thomas Stompe eröffnete die Veranstaltung mit seinem Vortrag über die transkulturelle Psychiatrie. Er untersuchte, wie Kultur und Gesellschaft den Verlauf, die Symptomgestaltung und die Behandlung psychischer Erkrankungen beeinflussen. Dabei ging er besonders auf das Konzept des „dritten Geschlechts“ ein, das in verschiedenen indigenen Kulturen existiert. Beispiele wie Māhū in Hawaii und Tahiti sowie die Two Spirits der Diné belegen die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten in nicht-westlichen Gesellschaften.

Univ. Prof. Dr. Thomas Stompe, Vortrag "Transidentität und drittes Geschlecht in indigenen Gesellschaften"
Univ. Prof. Dr. Thomas Stompe, Vortrag "Transidentität und drittes Geschlecht in indigenen Gesellschaften"

Mag.a Astrid Jorda sprach über die entscheidende Rolle von Sprach-, Kultur- und IntegrationsmittlerInnen im psychotherapeutischen Prozess. Sie betonte, dass es unmöglich sei, alle Sprachen zu beherrschen und alle kulturellen Unterschiede in der psychotherapeutischen Arbeit selbst zu berücksichtigen. Durch die professionelle Unterstützung von SprachmittlerInnen, die als „Feuerzungen“ fungieren, werden Sprachbarrieren überwunden.

Eine spannende Fragestellung war auch, wie sich die Dynamik im therapeutischen Raum verändert, wenn eine dritte Person als Vermittler*in hinzukommt und eine neue, gleichwertige Triade entsteht. Jorda unterstrich, dass eine klare Rollenverteilung und professionelle Aufgabendefinition entscheidend sind, um den therapeutischen Prozess erfolgreich zu gestalten.

Mag.a Astrid Jorda, Vortrag "Lost in translation? Die Bedeutung der Sprach-, Kultur- und Integrationsvermittler*in bei interkulturellen Psychotherapieprozessen"
Mag.a Astrid Jorda, Vortrag "Lost in translation? Die Bedeutung der Sprach-, Kultur- und Integrationsvermittler*in bei interkulturellen Psychotherapieprozessen"

Dr. David Holzer widmete sich in seinem Vortrag dem Thema „Transkulturelle Psychiatrie und Wahn“. Er erklärte, dass Wahn ein komplexes psychopathologisches Phänomen ist, das nicht isoliert betrachtet werden kann. Der Wahn berührt grundlegende Fragen der Psychiatrie und erfordert daher eine Betrachtung, die über die klinisch-psychopathologische Ebene hinausgeht. Holzer beleuchtete, wie Wahn als Schnittstelle für psychiatrische Grundsatzfragen dient und welche Herausforderungen die transkulturelle Perspektive dabei mit sich bringt.

Dr. David Holzer, Vortrag "Transkulturelle Psychiatrie und Wahn"
Dr. David Holzer, Vortrag "Transkulturelle Psychiatrie und Wahn"

Dr.in med. Elif Cindik-Herbrüggen sprach über die psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen von Migrant*innen in Deutschland und Österreich. Sie beleuchtete die Herausforderungen, die sich aus inter- und transkulturellen Einstellungen in der Versorgung ergeben, und betonte die Notwendigkeit, kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen, um eine effektive Behandlung zu ermöglichen. In einer Übung zum Thema Übersetzungsarbeit stellte sie praxisnah dar, wie Sprachbarrieren und unterschiedliche kulturelle Hintergründe die Versorgung beeinflussen können und wie diese Hindernisse überwunden werden können, um eine adäquate Behandlung zu gewährleisten.

Dr.in med Elif Cindik-Herbrüggen, Vortrag "Transkulturelle Behandlungskompetenz in der Niederlassung am Beispiel Deutschland Psychiatrie/Neurologie"
Dr.in med Elif Cindik-Herbrüggen, Vortrag "Transkulturelle Behandlungskompetenz in der Niederlassung am Beispiel Deutschland Psychiatrie/Neurologie"

Die Veranstaltung bot den TeilnehmerInnen tiefgehende Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der transkulturellen Psychiatrie und eröffnete neue Perspektiven für die psychosoziale Gesundheitsversorgung in einer zunehmend globalisierten Welt.

 

Die 230 TeilnehmerInnen verabschiedeten sich gegen 13 Uhr, während Prim. Priv.-Doz. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn auf den 59. Linzer Psychiatrischen Samstag im Jahr 2025 hinwies.