„Suizidalität hat viele Gesichter“: Erste Hilfe bei suizidalen Krisen
Jede Woche nehmen sich in Österreich rund 25 Menschen das Leben. Anlässlich des Welttags der Suizidprävention am 10. September richtet die Krisenhilfe OÖ den Fokus auf die mitunter schwer erkennbaren Anzeichen suizidaler Krisen. So unterschiedlich die Hinweise auf Suizidalität sein können, gibt es doch eine Reihe von Warnsignalen. Wer vermutet, jemand könnte suizidale Gedanken oder Absichten hegen, sollte diese Sorge immer zur Sprache bringen. Denn es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass dieses Ansprechen Menschen auf die Idee bringen könnte, sich das Leben zu nehmen – das Gegenteil ist der Fall. Ein offenes Gespräch leistet Erste Hilfe, es kann entlasten, Vertrauen schaffen und Suizide verhindern.
„Vor allem in Zeiten globaler Krisen und Unsicherheiten erleben Menschen Phasen der Überforderung – hier braucht es niederschwellige und professionelle Unterstützung. Mit der Krisenhilfe OÖ bietet das Land Oberösterreich telefonische Krisenberatung rund um die Uhr – vertraulich, kostenlos und für alle zugänglich. Darüber hinaus setzen wir im Jugendressort mit unseren Mentalen Gesundheitsworkshops und der Initiative „Fürs Leben lernen“ frühzeitig wichtige Schritte, um junge Menschen zu stärken und ihnen das Rüstzeug fürs Erwachsenwerden mitzugeben“, sagt Jugend- und Soziallandesrat Dr. Christian Dörfel.
„Suizidalität hat viele Gesichter. Sie kann sich in Form von Rückzug äußern, in übersteigerter Aktivität und Unruhe oder einer auffälligen Gelöstheit – etwa, wenn die Entscheidung zum Suizid bereits getroffen wurde“, erklärt Katja Sieper, BA MA, Leiterin der Krisenhilfe OÖ. „Daher gilt: Hinweise immer ernst nehmen. Wichtig ist, sich nicht von der Sorge leiten zu lassen, etwas falsch zu machen. Das Ansprechen löst niemals Suizidalität aus, sondern rettet Leben.“
Alarmzeichen für Suizidalität
Suizidgefährdung kann sich individuell sehr unterschiedlich bemerkbar machen – nicht nur durch konkrete Äußerungen oder Andeutungen eines Todeswunsches, durch Zurückgezogenheit, Antriebs- und Hoffnungslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Rastlosigkeit, Selbstkritik und Kränkung, sondern auch durch Gleichgültigkeit oder gar Erleichterung, das Ordnen persönlicher Angelegenheiten, das Verschenken von Gegenständen oder Haustieren, die den Betroffenen besonders wichtig sind. Manchmal sind es auch nur sehr kleine Veränderungen im Verhalten, die seltsam erscheinen. Gleichzeitig betont Katja Sieper: “Leider gibt es manchmal auch Fälle, in denen keinerlei Anzeichen wahrnehmbar sind. Auch wenn wir nicht jede suizidale Handlung abwenden können, ist es umso wesentlicher, einen offenen Umgang mit diesem Tabuthema zu fördern. Je mehr wir offen und ehrlich über unsere Gefühle, Sorgen und Ängste sprechen können, desto leichter wird es, dies auch dann zu tun, wenn eine innere Not besonders groß wird.”
Wenn Menschen in einem Gespräch tatsächlich Anspielungen machen oder konkrete lebensmüde Gedanken äußern, ist es wichtig, sie ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören – denn beides ist immer ein Ausdruck großer Verzweiflung. Die Möglichkeit, offen mit jemandem zu sprechen – nicht nur über das Gefühl, nicht mehr leben zu wollen, sondern auch darüber, was zu diesem Gefühl führt, ist oft bereits unglaublich entlastend für Betroffene, so Sieper. “Sehr häufig ist es so, dass der oder die Betroffene eigentlich nicht das eigene Leben, sondern eine bestimmte Belastung oder Situation beenden möchte, allein aber keinen anderen Ausweg mehr sieht. Darüber zu sprechen und gemeinsam Perspektiven und Lösungen zu entwickeln, die ein gutes Weiterleben ermöglichen – das ist der Kern unserer Arbeit bei der Krisenhilfe OÖ. Tag für Tag erleben wir, wie sehr das hilft.”
Suizid in Zahlen
Insgesamt starben im Jahr 2024 in Österreich 1.331 Personen durch Suizid – mehr als drei Mal so viele Menschen wie im Straßenverkehr. In Oberösterreich begingen 2024 insgesamt 229 Menschen Suizid. Über drei Viertel der Suizidtoten sind Männer. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer an nicht meldepflichtigen Suizidversuchen. Laut internationalen Studien ist davon auszugehen, dass Suizidversuche die Anzahl der durch Suizid Verstorbenen um das Zehn- bis Dreißigfache übersteigen. Bekannt ist auch, dass Frauen häufiger Suizidversuche unternehmen als Männer.
Was kann ich tun?
- Nachfragen und die eigene Sorge ausdrücken: Viel wichtiger als die Wortwahl ist die Formulierung einer klaren und direkten Frage, etwa: “Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut und ich mache mir große Sorgen, dass du vielleicht nicht mehr leben möchtest?” In dieser Situation sollte man sich nicht davor scheuen, Dinge beim Namen zu nennen – ohne sie negativ zu bewerten. Durch Nachfragen und aktives Zuhören können Betroffene motiviert werden, über ihre Gefühle und Gedanken zu sprechen.
- Darüber reden und das Gegenüber ernst nehmen: Wenn jemand Suizidgedanken ausdrückt, ist es normal, selbst große Sorge zu verspüren – auch diese Angst um mein Gegenüber darf ich benennen. Gleichzeitig ist es wichtig, Ruhe auszustrahlen und Mitgefühl zu vermitteln. Verharmlosungen oder leere Floskeln wie „Das wird schon wieder“ oder „So schlimm ist das doch gar nicht“ gilt es unbedingt zu vermeiden. Stattdessen sollte man signalisieren, dass man zuhören möchte: “Ich bin da, ich höre dir zu – erzähl mal. Was macht die Situation so schlimm und belastend für dich? Was würdest du dir stattdessen eigentlich wünschen?”
- Professionelle Unterstützung organisieren: Betroffene sollten ermutigt werden, rasch psychosoziale Angebote in Anspruch zu nehmen. Die Krisenhilfe OÖ ist rund um die Uhr telefonisch erreichbar – auch für Menschen, die befürchten, eine Person im eigenen Umfeld könnte sich das Leben nehmen.
- Für Sicherheit sorgen: Bietet man suizidgefährdeten Menschen Unterstützung an, ist es besonders wichtig, nichts zu versprechen, was man nicht halten kann. Wenn tatsächlich ein akutes Suizidrisiko besteht, ist rasches Handeln gefragt und eine unmittelbar suizidgefährdete Person darf auf keinen Fall allein gelassen werden. Wenn das Gefühl entsteht, dass die eigenen Bemühungen an der Situation nichts ändern, ist professionelle Hilfe unbedingt nötig! Kann sich die betroffene Person nicht darauf einlassen, ein Krankenhaus aufzusuchen, dann ist es richtig und lebenswichtig, umgehend die Polizei unter der Telefonnummer 133 zu verständigen. Die Krisenhilfe OÖ kann auch in solchen Situationen telefonisch oder im Rahmen eines Hausbesuchs unterstützen, die richtige Entscheidung zu treffen.
Krisenhilfe OÖ
Um die Krisenversorgung in Oberösterreich flächendeckend und umfassend gewährleisten zu können, haben sich pro mente OÖ, EXIT-sozial, Rotes Kreuz, Telefonseelsorge OÖ und Notfallseelsorge unter dem Namen Krisenhilfe OÖ zusammengeschlossen.
Die Krisenhilfe OÖ unterstützt in psychischen Notsituationen – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr unter: 0732 21 77.