2024.05.27: Pressekonferenz zum Thema Verhaltenssüchte bei Jugendlichen

Von Social Media bis Computerspiele: immer mehr junge Menschen von einer Online-Sucht betroffen

V.l.n.r.: Karlheinz Staudinger, MSc, Psychotherapeut, pro mente OÖ, Ambulanz für Spielsucht; Prim. Priv.-Doz. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn, Vorstand Klinik für Psychiatrie - mit Schwerpunkt Suchtmedizin, Kepler Universitätsklinikum, Vorstand pro mente OÖ; LH-Stv.in Mag.a Christine Haberlander, Gesundheitsreferentin; LR Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer, Sozial- und Jugendlandesrat

Bei Verhaltenssüchten sind keine Substanzen (z.B.: Drogen) im Spiel. Dennoch können sie extrem gefährlich sein und zu einer Abwärtsspirale in allen Lebensbereichen führen. Verhaltenssüchte im Online-Bereich werden bei jungen Menschen immer häufiger diagnostiziert. Insbesondere im Bereich Social Media und bei Computerspielen lauern erhebliche Suchtgefahren. Neben niederschwelligen Angeboten für die Behandlung von Betroffenen wie an der Ambulanz für Spielsucht in Linz von pro mente OÖ setzt das Land OÖ auf Präventionsmaßnahmen.

 

Verhaltenssüchte im Onlinebereich werden stärker

Es gibt kaum mehr Lebensbereiche, in denen das Internet keine wichtige Rolle spielt. Die sozialen Medien sind unsere täglichen Begleiter. Aber besonders das Onlinekonsumverhalten von Kindern und Jugendlichen artet oftmals aus. Bereits jede und jeder vierte 10 bis 18-Jährige leidet an einer psychischen Erkrankung. Internetsucht ist eine davon. „In unserer Ambulanz bemerken wir eine Zunahme an der Anzahl an Jugendlichen, die an Verhaltenssüchten, insbesondere im Onlinebereich, leiden“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn, Vorstandsvorsitzender von pro mente OÖ und Leiter der Ambulanz für Spielsucht, einem Angebot von pro mente OÖ. „Dabei wird das Einstiegsalter für den Internetgebrauch immer niedriger. Kinder sind besonders gefährdet, aufgrund der geringen Fähigkeit der Selbstbegrenzung, sowie aufgrund der Schwierigkeiten vieler Eltern zur adäquaten Steuerung der Quantität und Inhalte der Internetnutzung ihrer Kinder.“ Laut Yazdi-Zorn sei es daher umso wichtiger, diese Verhaltenssüchte zu thematisieren und zu sensibilisieren, aufzuklären und zu informieren, dass es Angebote und Unterstützung gibt – wie zB.: die Ambulanz für Spielsucht in Linz.

 

„Die Prävention und Behandlung von Verhaltenssüchten bei Jugendlichen ist für uns eine zentrale Aufgabe. Besonders im digitalen Zeitalter müssen wir den jungen Menschen helfen, einen gesunden Umgang mit Social Media und Computerspielen zu finden. Wir setzen auf Projekte, die das Selbstbewusstsein stärken und dazu ermutigen, das eigene Körperbild zu hinterfragen und sich selbst zu akzeptieren. Solche Initiativen sind essenziell, um den Druck der Schönheitsideale zu mindern und die mentale Gesundheit zu fördern. Die Ambulanz für Spielsucht in Linz ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie, um Betroffene frühzeitig zu erreichen und umfassend zu unterstützen.“, sagt Gesundheitslandesrätin LH-Stv.in Christine Haberlander.

„Der digitale Raum wird immer mehr zum realen Lebensraum für Jugendliche. Schnell wird aus dem gelegentlichen Check des Social-Media-Feeds ein Verlangen, das nicht mehr abgelegt werden kann. Wir müssen unsere Jugendlichen und auch deren Eltern bereits vorzeitig auf dieses wichtige Thema sensibilisieren und bieten daher entsprechende Präventions- und Informationsangebote. Gleichzeitig wollen wir Tabus brechen und klar machen – es gibt Unterstützung und Hilfe bei online Verhaltenssüchten und es ist keine Schande Beratungsangebote aufzusuchen. Die unterschiedlichen Stellen bei pro mente oder beim Jugendservice des Landes helfen“, sagt Sozial- und Jugendlandesrat, Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer

 

Betroffene werden immer jünger

Seit 14 Jahren werden an der Ambulanz für Spielsucht Patient*innen mit Verhaltenssüchten behandelt. Seither ist ein stetiger Zuwachs an jungen Menschen zu verzeichnen, die eine unkontrollierte und somit pathologische Mediennutzung aufweisen. Während zu Beginn vor allem Erwachsene (vorwiegend männliche) Student*innen behandelt wurden, waren es circa vor sieben Jahren vermehrt Jugendliche im Alter von 15 Jahren, die sich mit ihren Eltern hilfesuchend an die Ambulanz für Spielsucht wandten. Inzwischen melden sich verzweifelte Eltern von Kindern im präpubertären Alter ab 9 Jahren.

 

Mädchen und junge Frauen durch Social Media besonders gefährdet

Die häufigsten Formen der Internetsucht sind Abhängigkeit von Social Media (wie z.B. TikTok, Instagram und Co) und Online-Computerspiele (Online-Rollenspiele, Online-Egoshooter und Co). Dabei sind Mädchen und junge Frauen durch Social Media besonders gefährdet, weil sich oftmals das Selbstbild an die Scheinwelt im Internet anpasst, was zu negativen Auswirkungen wie extremen Diäten, Depression oder Mobbing führen kann.

 

Ab wann ist man süchtig?

Von einer Internetsucht spricht man, wenn folgende Tatsachen ganz oder zum Teil zutreffen:

 

  • Einengung des Verhaltensraums: Wenn über längere Zeitspannen der größte Teil des Tageszeitbudgets zur Internetnutzung verausgabt wird.
  • Kontrollverlust: Wenn die Person die Kontrolle über ihre Internetnutzung weitgehend verloren hat bzw. Versuche, das Nutzungsausmaß zu reduzieren oder die Nutzung zu unterbrechen, erfolglos bleiben oder erst gar nicht unternommen werden (obwohl das Bewusstsein für dadurch verursachte persönliche oder soziale Probleme vorhanden ist).
  • Toleranzentwicklung: Wenn immer mehr und mehr Zeit im Internet verbracht werden muss, um kurzfristig zufrieden zu sein.
  • Entzugserscheinungen: Wenn Entzugserscheinungen als Beeinträchtigungen psychischer Befindlichkeit (Unruhe, Nervosität, Unzufriedenheit, Gereiztheit, Aggressivität) und psychisches Verlangen („craving“) nach der Internetnutzung als Folge einer längeren Unterbrechung der Internetnutzung auftreten.
  • Negative soziale Konsequenzen: Wenn wegen der Internetaktivitäten negative soziale Konsequenzen in den Bereichen Arbeit und Leistung sowie soziale Beziehungen (z.B. Ärger mit Freund*innen oder Arbeitgeber) eingetreten sind. 

Weiterführende Infos finden Sie in den Unterlagen zur Pressekonferenz – hier zum Download:

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PK_pro mente OÖ_Verhaltenssüchte.pdf
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